Labordiagnostik chronischer oraler Entzündungsfaktoren

Chronische Entzündungszustände und Erkrankungen mit chronischem Schmerzgeschehen nehmen in den Industrienationen stetig zu. Die moderne Zahnmedizin ist durch Einbringen von Reparatur- und Ersatzstoffen daran auslösend beteiligt.

Werkstoffunverträglichkeiten oder auch andere endogene (im Körper entstehende) Ursachen lassen sich als dauerhafte Trigger in allen zahnmedizinischen Fachbereichen finden: als permanente bakterielle Belastung bei der Parodontitis oder Periimplantitis, als Füll- und Ersatzwerkstoffe in der konservierenden, endodontischen, prothetischen, orthopädischen und implantologischen Behandlung und auch in Form von Eiweißabbauprodukten aus den Kanälen wurzeltoter Zähne. Die moderne Laboranalytik unterstützt neben der vorausgehenden klinischen und röntgenologischen Diagnostik in der Erkennung verdächtigter Entzündungsfaktoren und deren schädliche Auswirkungen.

Folgende spezielle Labordiagnostik bietet sich bei Verdacht auf orale Störfelder/Entzündungstrigger an:

Verdacht auf:Labordiagnostik:
ParodontitisaMMP-8, Markerkeime
Typ I – Sensibilisierung (Acrylate, Lokalanaesthetika)BDT

Typ IV – Sensibilisierung (Metalle, Kunststoffe, Wurzelfüllmaterialien)

LTT
zur weiteren Differenzierung aktueller BelastungEZT

Metallbelastung aus Zahnersatz durch Korrosion und Abrieb

MEA
Belastung durch toxische Abbauprodukte toter ZähneMerti
Entzündung des Kieferknochens (NICO)Rantes
Verminderte Resistenz gegen Bakterien, Viren und PilzenMBL
Titanunverträglichkeit (Implantologie)Titan-Stimulationstest
Genetische EntzündungsneigungZytokin-Genotyp

chronische, getriggerte Entzündung (silent, smouldering inflammation)

sTNFa, IP 10, Histamin
Oxidativer StressMDA-LDL
Nitrosativer StressNitrotyrosin

Mitochondriopathie

ATP-intrazellulär

Erläuterungen

aMMP-8: quantitativer Nachweis der aktiven Matrix-Metalloproteinase-8 in der Sulcusflüssigkeit als innovativer Test zur Diagnose einer parodontalen und periimplantären Gewebedestruktion mittels standardisiertem ELISA-Verfahren, gilt als Gradmesser für die systemische Wechselwirkung der Parodontitis mit anderen Organsystemen.

Markerkeime: Etablierung und Progredienz einer parodontalen Erkrankung werden durch das Vorhandensein spezifischer Markerkeime und deren Wechselwirkungen bestimmt. Das Ausmaß der Zerstörung des Zahnhalteapparates wird aber bestimmt durch die körpereigene individuelle, genetisch festgelegte Entzündungsbereitschaft. Nachweislich ist die IL1-Highresponder-Genkonstellation der Risikofaktor für eine Parodontitis.

Basophilen Degranulationstest (BDT): Diagnostik allergischer Sensibilisierung vom Soforttyp. Besitzt hohe Sensitivität durch den über den RAST hinausgehenden Nachweis von Basophilen-gebundenen Allergen-spezifischen IgE-Antikörpern und von nicht IgE-vermittelten Pseudoallergien (Berufs- und Umweltallergene, Nahrungsmittelzusatz- und –farbstoffe, Medikamente).

Lymphozytentransformationstest (LTT): akkreditierte Labormethode zur Evaluierung von Auswirkungen von dentalen Werkstoffen auf das Immunsystem durch Aktivierung von T-Lymphozyten. Es handelt sich um sogenannte Spättypallergien (Typ IV), die durch Kontakt zu spezifischen Gedächtniszellen auf Metalle, Kunststoffe, Zemente oder auch Wurzelfüllmaterialien ausgelöst werden.

Effektorzelltypisierung (EZT): weitere Differenzierung nach durchgeführtem positivem LTT in Bezug auf eine aktuelle Entzündungssymptomatik. Erlaubt eine Hierarchisierung über IFN-g als Marker für TH1-Effektorzellen bei Vorliegen von Sensibilisierung auf mehrere Allergene und in der Entscheidungsfindung von Expositionsvermeidung in der Umwelt-Zahnmedizin.

Multielementanalyse (Morgenspeichel, stimulierter Speichel): durch Korrosion oder durch mechanischen Abrieb beim Kauen werden Metalle aus Zahnersatz freigesetzt, die den Organismus über den Magen-Darmtrakt chronisch belasten. Toxische Schwermetalle und auch Metalle aus Dentallegierungen sind in der Lage bei dauerhafter Exposition chronisch entzündliche Erkrankungen zu triggern. Mehrfachbelastungen mit verschiedenen Metallen gleichzeitig erhöhen die toxische Wirkung. Die ICP-MS (induktiv gekoppelte Plasma-Massenspektrometrie) ermöglicht die hochsensitive simultane Messung zahlreicher Metalle.

Merti: organische Zerfallsprodukte aus dem Wurzelkanal toter Zähne wie Mercaptane und Thioäther, die bekanntermaßen toxische Effekte haben, können auch einen immunologischen Fokus darstellen, von dem entzündliche Reaktionen ausgehen können. Die Effektortypisierung auf Mercaptane und Thioäther lässt an Hand des ermittelten Zytokinmusters (TH1-IFNg / TH2-IL10) erkennen, ob aktuell eine Immunreaktion i. S. einer Sensibilisierung und einer getriggerten Entzündungsreaktion stattfindet.

Rantes (Regulated And Normal T cell Expressed and Secreted): induziert durch Chemotaxis die Migration von Abwehrzellen (NK-Zellen, granulozyten, Monozyten, Makrophagen) ins Entzündungsgebiet. Neben zahlreichen systemischen Entzündungskrankheiten findet sich dieses Chemokin in dem fettig-osteolytischen Gewebe bei NICO (Neuralgia Inducing Cavitational Osteonecrosis).

Mannose-bindendes-Lektin (MBL): Infektanfälligkeit und -persistenz bei Mangel dieses Akute-Phase-Proteins. MBL und die ausgelöste Komplementaktivierung erwirken die Erregerelimination durch phagozytierende Abwehrzellen (Granulozyten, Monozyten/Makrophagen).

Titan-Stimulationstest: dient dem Nachweis einer hyperinflammatorischen Zytokinreaktion von Gewebemakrophagen/Monozyten auf Titanoxidpartikel, die in die Umgebung von Implantaten abgegeben werden. Patienten mit einer genetisch erhöhten Entzündungsdisposition neigen besonders zu einer Stimulierbarkeit auf Titanpartikeln.

Zytokin-Genotyp: Bestimmung der 4 genetischen Risikofaktoren für die individuelle Entzündungsdisposition (IL1a-889 C/T, IL1RA+2018 T/C, IL1ß+3953 C/T, TNFa-308 G/A) von Grad 0 (ausgewogene normale Entzündungsbereitschaft) bis Grad 4 (deutlich erhöhte Entzündungsbereitschaft). Die individuelle Entzündungsbereitschaft (Grad 0-4) ist für alle Entzündungsprozesse im Körper von Bedeutung. Über 30 % der Bevölkerung tragen die Polymorphismen im IL1-Gen und bis zu 20% im TNFa-Gen.

Die sechs folgenden Labormarker charakterisieren die entzündliche Multisystembelastung. Multisystemerkrankungen sind chronische Entzündungserkrankungen, die den gesamten Organismus primär oder sekundär in seiner Regulationsfunktion beeinträchtigen.

sTNF-a: sensitivstes proentzündliches Markerzytokin als Indikator für myelomonozytäre systemische Entzündungsprozesse.

IP-10: die Bildung dieses Chemokins wird ausschließlich durch Interferone induziert und ist ein idealer Marker zur Bestimmung der T-zellulären bzw. T-zellulär-induzierte Immunaktivierung (TH1-Immunaktivierung). Es stimuliert Monozyten und NK-Zellen und regt die T-Zellen zur Migration ins Gewebe an.

Histamin: von Mastzellen produziertes Gewebshormon, welches über Histamin-Rezeptoren auf Leukozyten Entzündungsphänomene auf zahlreiche Organsysteme auslösen kann.

ATP-intrazellulär: dieser Parameter stellt einen wichtigen Marker für die aktuelle Mitochondrienfunktion dar. ATP ist die universelle Form unmittelbar verfügbarer Energie in den Körperzellen und ist erforderlich für nahezu alle biologischen Aktionen und Prozesse. Es ist auch beteiligt an der Vermittlung von Entzündungsreaktionen.

Malondialdehyd-modifiziertes LDL (MDA-LDL): ein Marker für die Lipidperoxidation und ein Nachweis für die systemischen Effekte eines andauernden oxidativen Stresses.

Nitrotyrosin: sensitiver Marker zur Messung einer NO-Belastung bei nitrosativem Stress durch Einwirkung von reaktiven Stickstoffspezies.

(Jacobi-Gresser, im Mai 2014)