Lymphozyten-Transformations-Test (LTT)

Der Lymphozyten-Transformations-Test (LTT)

Hinter diesem etwas sperrigen Begriff verbirgt sich eine Untersuchungsmethode, die inzwischen im breiten Spektrum der medizinischen Diagnostik einen festen Platz gefunden hat. Es handelt sich dabei um ein Laborverfahren, mit dem man eine Sensibilisierung des Immunsystems für Bestandteile von Endoprothesen nachweisen kann. Der Test kann zum einen dann eingesetzt werden, wenn es nach Einbringen von Fremdmaterial (z. B. Endoprothesen) zu Beschwerden kommt. Oft muss in solchen Fällen geklärt werden, ob das verwendete Material vom Immunsystem angegriffen wird und deshalb möglicherweise ausgetauscht werden muss. Im Sinne einer vorbeugenden Untersuchung kann der LTT auch vor dem Einbringen von Materialien wie Endoprothesen zur Klärung der Frage beitragen, welche Stoffe verwendbar sind und welche vermieden werden sollten.

Worum geht es bei diesem Verfahren?

Um diese Untersuchung besser zu verstehen, machen wir einen kurzen Exkurs in die Immunologie und betrachten die beiden wichtigsten Arten von Allergien, welche der Grund für immer wieder auftretende Probleme mit Endoprothesen sind. Sie werden als Typ I- und Typ IV -Allergien bezeichnet. Zudem sollen an dieser Stelle noch zwei Begriffe definiert werden: Antigen und Allergen. Antigene sind Stoffe, die in einem Organismus eine Immunreaktion auslösen können. Oftmals handelt es sich dabei um Bakterien, Viren oder entartete Zellen, aber auch kleinere Strukturen wie Eiweißstoffe können als Antigene wirken. Sie werden vom Immunsystem als „fremd“ erkannt, und daraufhin beginnt die Immunreaktion mit dem Ziel, die fremde Struktur unschädlich zu machen. Dabei kommen sowohl Antikörper als auch aktivierte Immunzellen zum Einsatz. Von Allergenen spricht man, wenn an sich harmlose Stoffe eine fehlgeleitete, überschießende Immunreaktion auslösen, die Allergie.

Der Lymphozyten-Transformations-Test hat eine spezielle Form der Allergien zum Gegenstand, nämlich den sogenannten verzögerten Typ oder kurz Typ IV. Die Typ-IV-Allergie ist eine Form, die nicht von Antikörpern, sondern durch Immunzellen, die T-Lymphozyten, vermittelt wird. Man kann sich die Entstehung einer solchen Allergie in etwa so vorstellen: Beim ersten Kontakt der Lymphozyten mit einem Allergen kommt es bei diesen Zellen zu einer Sensibilisierung. Die Zellen erkennen das Allergen über ein besonderes Molekül auf ihrer Zelloberfläche und prägen sich seine Struktur genau ein. Nach dieser Prägung bleiben sie weiterhin Bestandteil des zellulären Immunsystems. Sie werden nun „Gedächtniszellen“ genannt. Die Gedächtniszellen „warten“ fortan auf ihren Einsatz, den Zweitkontakt mit dem Allergen, auf das sie spezialisiert sind. Kommt es nun zu einer zweiten Konfrontation, so werden diese T-Zellen aktiviert und vermehren sich rasant, um der Herausforderung möglichst effektiv begegnen zu können. Die Vermehrung der allergen-spezifischen Lymphozyten kann den Anfangspunkt einer Entzündungsreaktion bilden, die sich in ihrem Verlauf durch die Einwanderung weiterer Entzündungszellen an den Ort des Geschehens verstärkt. Eine solche Entzündungsreaktion bereitet dem Patienten massive Probleme und kann sogar zu einem Verlust der Endoprothese führen. Grund für solche starken Immunreaktionen können Allergien gegen Bestandteile von Endoprothesen sein. Die bisher beschriebenen Sensibilisierungen auf eingesetzte Werkstoffe basieren zumeist auf der oben beschriebenen Allergie vom Typ IV. Den LTT kann man nutzen um festzustellen, ob bei einem Patienten eine solche Allergie vorliegt und gegen welche Materialien sie sich richtet.

Wie funktioniert der Test?

Der LTT ist ein sogenannter in vitro-Test. Das bedeutet, er wird im Labor unter kontrollierten Bedingungen durchgeführt. Aus einer Blutprobe des Patienten werden die zu testenden Lymphozyten isoliert. Sie werden dann in ein spezielles Zellkulturmedium überführt. Nun werden die potentiellen Allergene (z. B. Metalle, Kunststoffe etc.) zugegeben. Falls es tatsächlich eine Sensibilisierung der Zellen für eines der Allergene gibt, beginnt nun die Vervielfältigung der entsprechenden Lymphozyten. Anschließend wird durch ein spezielles Messverfahren festgestellt, ob eine Vermehrung der Zellen stattgefunden hat und welches Allergen dafür verantwortlich ist. Auch kann man die Stärke der Reaktion bestimmen. Als Ergebnis der Messung erhält man den sogenannten Stimulationsfaktor. Dieser zeigt an, ob und in welchem Umfang sich die mit Allergen konfrontierten Zellen vervielfältigt haben. Ist der Stimulationsfaktor größer als drei (d.h. eine auf mehr als das Dreifache gesteigerte Vermehrung der Lymphozyten), so gilt das Resultat als positiv. Dies bedeutet, man muss davon ausgehen, dass gegenüber dem auslösenden Agens eine Sensibilisierung besteht, die zu einer allergischen Reaktion führen kann.

Wie sind Sicherheit und Aussagekraft des LTT einzuordnen?

Der LTT ist aktuell die einzige umfassend validierte (das heißt nach wissenschaftlichen Erkenntnissen konzipierte und überprüfte) in vitro-Methode zum Nachweis spezifischer zellulärer Sensibilisierungen in der Allergiediagnostik.

Das Verfahren birgt für den Patienten keinerlei Risiko, weil dieser nicht körperlich mit potenziell allergen wirkenden Stoffen in Kontakt kommt, sondern lediglich eine Blutprobe entnommen wird. Was die Empfindlichkeit des Tests angeht, gilt er mit etwa 90 % als sehr sensitiv. Durch stetige Verbesserungen unter anderem bei den angewendeten Zellkultur- und Messtechniken konnte der LTT in den vergangenen Jahren zu einem verlässlichen diagnostischen Werkzeug fortentwickelt werden. Daher wurde das Verfahren vom Robert-Koch-Institut (RKI) in einer Stellungnahme als „uneingeschränkt empfehlenswert“ eingestuft.

Permanente sorgfältige Evaluierung des Testsystems und das Mitführen von aussagekräftigen Kontrollen stellen sicher, dass die erhobenen Daten verlässlich sind und die Beurteilung einer etwaigen Sensibilisierung mit größtmöglicher Sorgfalt erlauben.

Gleichwohl bedeutet der Nachweis einer Sensibilisierung mittels LTT nicht automatisch, dass damit zwangsläufig eine aktuell ablaufende Entzündungsreaktion verbunden ist. Dieser Umstand ist umso bedeutender, wenn ein positives Ergebnis für mehrere Allergene, beispielsweise Metalle, vorliegt. In diesem Fall kann eine zusätzliche Untersuchung, die Effektorzell-Typisierung, wertvolle Zusatzinformationen darüber liefern, welche der Sensibilisierungen tatsächlich die treibende Kraft im Krankheitsprozess bildet.

In jedem Fall kann das Ergebnis der Untersuchung niemals für sich allein gesehen und als alleinige Basis für eine diagnostische Aussage herangezogen werden. Die ermittelten Daten sind stets zusammen mit einer eingehenden Untersuchung des Patienten und in der Gesamtschau mit allen verfügbaren Informationen zur Anamnese und mit Bezug zum Beschwerdebild zu beurteilen. Erst unter diesen Umständen können die Resultate aus dem LTT sinnvoll als Hinweisgeber im diagnostischen Prozess oder auch präventiv im Vorfeld einer geplanten Endoprothetikversorgung genutzt werden.